Wenn eine Übersetzung nicht ans Ziel führt: Transkreation hilft.

Jemand geht auf einer lückenhaften und schon sehr morschen Brücke über einen kleinen Fluss.

Eine Übersetzung ist super, um Menschen mit anderen Sprachen zu erreichen. Aber manchmal funktioniert eine Übersetzung nicht. Dann müssen Sie in der Zielsprache texten (lassen), Sie brauchen eine Transkreation.

Kaputte Eselsbrücken

Am Osterwochenende habe ich mit meiner Familie ein Museumsschiff besucht. Der Besuch war für alle interessant und für mich noch ein bisschen mehr, weil auf dem Schiff Informationstafeln in Deutsch und Englisch aushingen. Leider war die Übersetzung nicht immer professionell gemacht – liefert mir dafür aber ein anschauliches Beispiel, dass eine klassische Übersetzung manchmal einfach nicht reicht.

Zwei eingerahmte Tafeln an Bord eines Schiffes mit Informationen zur Farbe der Positionslichter an Backbord und Steuerbord

Die roten Texte unter den Bildern sind Merksätze für die Positionslichter eines Schiffes – Backbord ist die linke Seite des Schiffs und ist rot beleuchtet, Steuerbord die rechte Seite und grün. Einer der hier notierten deutschen Merksätze geht so: „Wenn Dir ein Rechtshänder eine Backpfeife verpasst, so wird Deine linke Backe rot – daher ist Backbord rot.“ Als Eselsbrücke funktioniert der Satz, weil darin dreimal „Back“ vorkommt und dieser Wortteil mit der Farbe Rot verknüpft wird.

Und im Englischen? Da heißt Backbord „port“, die Backpfeife ist ein „slap in the face“ und die Backe ist „cheek“ – drei Ausdrücke ohne jede Gemeinsamkeit. Trotz dieses fehlenden Zusammenhangs hat man den deutschen Merksatz tapfer ins Englische übersetzt. Die Folge: Der Aha-Effekt bleibt aus, die Eselsbrücke trägt nicht.

Der Weg zum Ziel erfordert Zeit und Mühe

In so einem Fall ist eine reine Übersetzung also ganz klar das falsche Mittel, denn dabei geht der sprachliche Zusammenhang verloren, der den Merksatz erst zu einem solchen macht. Welche Möglichkeiten gibt es stattdessen?

Die offensichtlichste Maßnahme ist, nicht den deutschen Spruch zu übersetzen, sondern stattdessen einen originalen englischen Merksatz für „port“ und „starboard“ zu verwenden.

Ich habe gesucht, aber knackige Sprüche scheint es nicht zu geben (hier sind immerhin ein paar Witze zum Thema). Die häufigsten Tipps nutzen die rote Farbe von Portwein („Is there any red port left?“), die identische Buchstabenzahl von „port“ und „left“ oder sagen letztlich, man soll es sich halt irgendwie merken. Besonders originell wird es also nicht.

Aber aufgepasst, wenn Sie sich nun für einen der englischen Merksätze entscheiden: Der deutsche Text lobt die Originalität der Eselsbrücken. Wenn Sie die Einleitung in diesem Sinne übersetzen und dann lediglich nüchterne Tipps servieren, zündet das nicht. In dem Fall müssen Sie den einleitenden Text so ändern, dass er zum Folgenden passt. Gelingt es Ihnen, dabei charmant zu formulieren, haben Sie die fehlende Originalität mit anderen Mitteln schon fast wieder ausgeglichen. An dieser Stelle muss man zur Ehrenrettung der englischen Infotafel sagen, dass dieser Punkt ganz gut gelungen ist.

Eine weitere Möglichkeit wäre, im Englischen einen ganz neuen Text zu verfassen, der zwar keine Merksätze vorstellt, dafür aber die Frage im Titel der Informationstafel beantwortet: Warum Backbord rot und Steuerbord grün ist. Das tun die vorliegenden Texte nämlich nicht – haben Sie’s bemerkt?

Das Mittel der Wahl: Transkreation

Sie sehen: Mitunter kann eine klassische Übersetzung der Aussage, dem Zweck und dem Anspruch des Textes nicht gerecht werden. Hier hilft nur, das Ensemble sehr frei zu übersetzen bzw. neu zu texten. Eine solche Adaption nennt man Transkreation.

Transkreation in ihrer Vollständigkeit und Tiefe vorzustellen, würde den Rahmen dieses Blogartikels sprengen, daher hier nur in Kürze: Transkreation reicht von freier Übersetzung über phasenweises Neutexten bis zur kompletten Neukonzeption. Sie erfordert neben, selbstverständlich, guten Kenntnissen von Ausgangs- und Zielsprache auch die Kenntnis kultureller Unterschiede und möglicher Fallstricke sowie die Fähigkeit zum souveränen Umgang mit der Zielsprache. Eine durchdachte und rundum gelungene Transkreation nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch als eine reine Übersetzung.

Was ich hier im ganz Kleinen demonstriert habe, hat im geschäftlichen Kontext – Websites, Produktbroschüren, Kundenkommunikation – eine ungleich größere Tragweite, denn ungelenke Texte oder Pannen-Übersetzungen können das Image eines Unternehmens beschädigen, und das ist teurer als ein guter Text. Übersetzungsprofis wissen, wann eine Transkreation in welcher Tiefe angebracht ist, und werden Sie entsprechend beraten.

Für Übertragungen ins Deutsche übernehme ich das gerne für Sie. Übertragungen ins Englische lassen Sie am besten von Profis mit Englisch als Muttersprache machen, aber vielleicht habe ich ja in meinem Netzwerk die richtige Person für Ihr Anliegen?

Sinnlos mit vier Buchstaben

Sinnlose Übersetzungen zum Thema Backbord und Steuerbord gibt es übrigens auch in der anderen Sprachrichtung, wie diese Seite zeigt. Hier wurde ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste einfach nur übersetzt, diesmal ins Deutsche: „Eine andere Möglichkeit, sich daran zu erinnern, ist, sich das Wort „Backbord“ als „links“ vorzustellen, da beide 4 Buchstaben haben.“

Kein weiterer Kommentar.

 

 

2 Kommentare

  1. Ich wünschte, diesen Text könnten oder würden viele Leute lesen, die Übersetzungen benötigen.

    Mir hat Dein Artikel über Backbord und Steuerbord sehr gut gefallen.

    Danke.

    Vera H.

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