Katja Heimann-Kiefer schreibt über Übersetzen, Sprache und Text, Lesen und Vorlesen und den ganzen Rest

Mein Beruf: Sprache und Technik

Ein Stapel Fach- und Wörterbücher, dazu Werkzeug. Diese Kombination steht symbolisch für Sprache und Technik.
Sprache und Technik – das ist die ideale berufliche Kombination für mich. Doch um das herauszufinden, musste ich erst einen Umweg gehen.

Dabei hätte ich es wissen können …

In der Schule mag man ja meist entweder Sprachen oder naturwissenschaftliche Fächer. Ich mochte und konnte schon immer beides. So habe ich für meine schriftlichen Abiturprüfungen Englisch, Französisch und Mathe gewählt. Die Sache mit Sprache und Technik hätte ich also wissen können.

Irgendwas mit Englisch

Als ich in der achten oder neunten Klasse war, verwendete die Englisch-Referendarin in ihren Arbeitsblättern viele Textbeispiele aus Charles Webbs Roman „The Graduate“ (auf Deutsch „Die Reifeprüfung“, richtig, der berühmte Streifen mit Dustin Hoffmann, Anne Bancroft als Mrs. Robinson und der Musik von Simon and Garfunkel). Die Textschnipsel machten mich neugierig, ich machte mich auf die Suche und entdeckte die abgelegene Schulbibliothek im Keller für mich. Dort gab es nicht nur den „Graduate“, sondern auch andere englischsprachige Werke, die ich fortan mit Wonne verschlang. Später kam die Freude am Interpretieren der Literatur im Englischunterricht hinzu. Folgerichtig reifte in mir die Überzeugung, dass ein Studium der Anglistik eine gute Sache wäre: Exzessives Bücherlesen wäre entschuldigt, ja sogar geboten, ich könnte in meiner Heimatstadt Hamburg studieren und wäre Teil des Hamburger Univiertels. Herrliche Aussichten!

Doch irgendwann tauchte Übersetzen am Horizont auf. Hatte es vielleicht mit dem Artikel aus dem TIME Magazine zu tun, den ich einmal im Rahmen des Englischunterrichts für die Klasse übersetzte? Jedenfalls erschien Übersetzen ebenfalls attraktiv: Ein Studium, an das sich ein konkreter Beruf anschließt, Fachübersetzen mit interessantem Sachfach, um geistig auch in ganz anderer Richtung gefordert zu werden, dazu die Freiheit, die ein Studium in einer anderen Stadt versprach. Sehr reizvoll.

Nach dem Abi – Warteschleife

Mit dem Abitur rückte auch die Frage, was danach kommen sollte, näher und näher. Und ich – konnte mich nicht entscheiden. Fest stand zwar, dass es etwas mit Englisch sein sollte, doch meine Präferenz wechselte alle paar Wochen: Mal brannte ich für die Anglistik, dann wieder erschien Fachübersetzen als ideale Wahl. Schließlich musste ich mir eingestehen, dass ich mehr Zeit für meine Entscheidung brauchte. Deshalb meldete ich mich bei der Staatlichen Fremdsprachenschule Hamburg an für einen einjährigen schulischen Lehrgang zur „Staatlich geprüften kaufmännischen Assistentin für Fremdsprachliches Sekretariat“. Ich hoffte, dass die zusätzliche Zeit mir helfen würde, meine Entscheidung zu fällen.

Da es um die Arbeit im Sekretariat ging, befassten sich auf der Fremdsprachenschule alle Unterrichtsfächer mit wirtschaftlichen Themen: Wirtschaftslehre sowieso, aber auch in Englisch, Französisch und später Spanisch, in Maschinenschreiben und Steno ging es um Angebote, Zahlungsbedingungen, Aufträge und ihre Abwicklung bis hin zu Reklamationen. Wirtschaft von vorne, hinten, oben und unten. Nach einer Weile empfand ich diese Intensität als erstickend.

Aber zum Glück stand auch Rechnungswesen auf dem Stundenplan. Hier durften wir mit Zahlen umgehen, ein echter Lichtblick! Mein Hirn stürzte sich auf diese Zahlen, als wäre es in der Wüste kurz vor dem Verdursten und hätte endlich das rettende Wasserloch entdeckt. Es dauerte eine Weile, bis mir die Heftigkeit meiner Reaktion bewusst wurde, doch dann ging mir ein Licht auf: Wenn ich nicht beide Seiten meiner Begabung ausspielen kann, werde ich mir und dem, was in mir steckt, nicht gerecht, bin nicht im Gleichgewicht, kann nicht zufrieden werden.

Es kann nur einen geben

Ein Auszug aus meinem DiplomzeugnisDiese Erkenntnis zeigte mir, dass es nur einen Studiengang für mich geben konnte: Fachübersetzen mit technischen Sachfächern. So landete ich an der Universität Hildesheim, wo am Institut für Sprache und Technik als Sachfächer Maschinenbau und Elektrotechnik unterrichtet wurden. Es begann mit Technischem Zeichnen, Mechanik und Thermodynamik, dann kamen Elektrotechnik, später Elektronik sowie diverse Aspekte des Maschinenbaus von Maschinenelementen über Fertigungsverfahren bis zu Kraft- und Arbeitsmaschinen. Viele, die das Studium mit mir begannen, sprangen in den ersten Semestern ab, für mich dagegen war es genau das Richtige.

Weil Übersetzen mehr als die Beherrschung von Sprachen ist, weil es Fachwissen erfordert, vermittelt ein guter Ausbildungsgang die Kenntnis der Fachinhalte. Das sorgt dafür, dass man auch inhaltlich versteht, was man übersetzt.

Es hat sich bewährt: Das Studium hat sich als ausgezeichnete Grundlage erwiesen, um mich zügig in neue Technikbereiche einzuarbeiten, die mir im Berufsleben begegnet sind, ob Gebäudeautomation oder Dosierpumpen. Auf diese Weise bis heute vom Studium zu profitieren, macht mir jedes Mal wieder Freude.

Und Bücher lesen kann ich immer noch in meiner Freizeit.

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert