Katja Heimann-Kiefer schreibt über Übersetzen, Sprache und Text, Lesen und Vorlesen und den ganzen Rest

„Kundenerlebnis“? „Nutzererfahrung“? Bitte nicht!

Wie kann man „user experience“ und „customer experience“ übersetzen? Oft begegnen uns diese Ausdrücke als „Nutzererfahrung“ oder „Kundenerlebnis“ – auf Deutsch leider inhaltsleere Worthülsen. Lesen Sie, wie es besser geht.

„Customer experience“, „user experience“ – was ist das eigentlich?

Das Internet hat nicht nur unsere Alltagswelt, sondern auch das Marketing gründlich umgekrempelt. Hier kommt es darauf an, dass „customer experience“ und „user experience“ stimmen. Gemeint ist damit, wie Menschen mit einem Angebot klarkommen: Im Idealfall gelingt es ihnen, ihr Anliegen in kurzer Zeit auf angenehme und bequeme Weise zu erledigen, und sie werden vom Unternehmen dabei gut unterstützt. Das ist dann eine positive „customer experience“ bzw. „user experience“. „Customer experience“ kann auch die gesamte Wahrnehmung der Marke einschließen, „user experience“ legt den Schwerpunkt auf die Interaktion mit Software, Websites, Apps und dergleichen.

Grüner Plastiklöffel falsch herum zwischen ordentlich aufgereihten glänzenden Gabeln aus dem guten BesteckIm Deutschen werden uns diese beiden Konzepte meist als „Kundenerfahrung“, „Nutzererlebnis“ oder eine Kombination der enthaltenen Versatzstücke serviert: „Kundenerlebnis“, „Nutzungserfahrung“ und so weiter. Diese Übersetzungen bleiben jedoch an der Wortoberfläche und werden damit zu inhaltsleeren „Buzzwords“. Unidiomatisch sind sie außerdem – das heißt, dass sie aus einem guten Text herausstechen wie ein Plastiklöffel zwischen feinem Besteck. Ihr Text hat Besseres verdient!

Wären diese Ausdrücke nicht aus dem Englischen zu uns herübergeschwappt, wäre niemand auf die Idee gekommen, die oben beschriebenen Konzepte so zu benennen. Denn was ist eigentlich ein Erlebnis? Was ist (eine) Erfahrung?

Ein tolles Erlebnis …

Ein Erlebnis ist laut Duden ein „von jemandem als in einer bestimmten Weise beeindruckend erlebtes Geschehen“. Das kann ein gelungener Ausflug sein, der erste Bungee-Sprung oder der vielstimmige Vogelchor bei Tagesanbruch. Aber der Online-Kauf eines T-Shirts, die Buchung einer Bahnfahrkarte oder gar der bloße Besuch einer Website lösen wohl kaum vergleichbare Begeisterung oder Ergriffenheit aus.

… und wichtige Erfahrungen?

Erfahrung ist laut Duden „bei praktischer Arbeit oder durch Wiederholen einer Sache gewonnene Kenntnis; Routine“, außerdem „Erleben, Erlebnis, durch das jemand klüger wird“ und „durch Anschauung, Wahrnehmung, Empfindung gewonnenes Wissen als Grundlage der Erkenntnis“. Beispiele sind die langjährige Erfahrung im Umgang mit einer Software, Erfahrungen als Bedienung in einer Kneipe oder die aus Erfahrung gewonnene Erkenntnis, dass man Wäsche besser nicht bei Regen nach draußen hängt. Diese Aspekte des Wortes „Erfahrung“ haben wenig mit dem zu tun, was mit „customer experience“ oder „user experience“ gemeint ist.

Die Übersetzung von „Customer experience“ und „user experience“ als „Kundenerlebnis“ oder „Nutzererfahrung“ ist also ein klassischer Fehler der reinen Wörterbuch-Übersetzung: Wenn man nur Worte austauscht, erhält man nicht unbedingt einen Ausdruck, der das Gemeinte wiedergibt.

„User experience“ und „customer experience“ besser ausgedrückt

Wie aber würde man im Deutschen „user experience“ oder „customer experience“ übersetzen, wenn man nicht die englischen Wörter im Kopf hätte? Indem man tut, was gutes Übersetzen und Texten ausmacht: Man beschreibt das Gemeinte, und das kann je nach Kontext unterschiedlich sein. Aber das richtige Wort zu finden, ist nicht immer einfach. Gerade bei Übersetzungen gibt es nicht die 1:1-Übersetzung mit Passt-immer-Garantie.

Die folgenden Beispiele zeigen, wie aussagekräftig und unaufdringlich man die Konzepte von „user experience“ und „customer experience“ im Deutschen formulieren kann.

Beispiel 1: „Nutzungserlebnis“ = Nutzungskomfort

Beispieltext: "Datenschutz und Nutzungserlebnis" als Überschrift über einem Cookie-HinweisDies stammt aus einem Cookie-Hinweis, der mir auf einer Website begegnete. Bei den Diensten, die ich hier zulassen oder ablehnen konnte, handelte es sich um Google Maps und einen Videodienst.

Ja, beide haben einen Einfluss auf die Nutzung der Website.

Nein, zu einem Erlebnis wird sie damit noch lange nicht.

Meine Lösung: „Datenschutz und Nutzungskomfort“.

Beispiel 2: „Benutzererlebnis“ – weglassen!

Beispieltext "Für ein beseres Benutzererlebnis können unsere Werbeanzeigen personalisiert werden"Personalisierte Werbung also. Das als „Erlebnis“ zu bezeichnen, ist Augenwischerei. Kaum jemand wird nach dem Besuch einer Website selig seufzen: „Das war ja ein tolles Erlebnis, ich habe Werbung für sooo viele Lockenstäbe bekommen, ich konnte mich gar nicht sattsehen!“

Es ist in Ordnung, Werbeanzeigen auf der Website zu schalten. Aber dann sollte man auch ehrlich sein und den eigenen Vorteil nicht als Vorteil des Publikums verkaufen.

Mein Vorschlag: „Die Werbeanzeigen auf unserer Website können personalisiert und so an Ihre Interessen angepasst werden. Um dies zu ermöglichen …“

Beispiel 3: „Kundenerfahrung“ = Interaktion

Beispieltext mit "kontaktlose Kundenerfahrung" - und überhaupt ziemlichem Geschwurbel

Zugegeben, der ganze Absatz ist ziemliches Geschwafel. Aber er zeigt sehr schön, wie inhaltsleer das Wort „Kundenerfahrung“ ist. Man kann es durch „Interaktion“ ersetzen und den Text damit gleich viel verständlicher machen.

Beispiel 4: „Benutzererfahrung“ = Bedienbarkeit, Benutzerfreundlichkeit, nutzungsfreundlich

Bei diesem Beispiel stehen die klareren Alternativen schon da: Die „bessere Benutzererfahrung“ ist die verbesserte Bedienbarkeit aus der Überschrift. Und das Stichwort „benutzerfreundlich“ (oder auch „nutzungsfreundlich“, wenn Sie auf geschlechtergerechte Sprache achten möchten) beschreibt gut, was beim zweiten Mal gemeint ist.

Im ersten Absatz ist ohnehin eine Umformulierung erforderlich, denn es ist nicht die „Benutzererfahrung“ selbst, mit deren Hilfe man „durch die Patienten navigiert“, und auch diese Formulierung ist verbesserungsbedürftig.

Mein Vorschlag: „Dank der einfachen Bedienung gelangen Sie schnell und zuverlässig zu den gesuchten Patienten.“

Fazit

Übertragen Sie englische Ausdrücke nicht gedankenlos auf der Wortoberfläche, übernehmen Sie nicht unreflektiert vermeintlich gängige Schlagwörter. Überlegen Sie stattdessen genau, was Sie wirklich aussagen möchten. Mit dieser Vorgehensweise produzieren Sie einen ausdrucksstarken Text.

Sie können diese Aufgabe natürlich auch an einen Textprofi geben – zum Übersetzen, zum Schreiben oder zum abschließenden Lektorieren Ihres selbst geschriebenen Textes.

 

 

 

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