Katja Heimann-Kiefer schreibt über Übersetzen, Sprache und Text, Lesen und Vorlesen und den ganzen Rest

„Vertrauensvoll“ oder „vertrauenswürdig“?

Kiefheim klärt auf

Zeitungsannonce: Vertrauensvoller Rentner / Frührentner für Botengänge an circa 5 Vormittagen im Monat gesucht.„Vertrauensvoller Rentner/Frührentner gesucht“? Wäre ich Rentner oder Frührentner und auf Arbeitssuche, ich würde mich nicht auf diese Annonce melden. Und Sie?

Was ist hier das Problem?

Das Problem ist das Wort „vertrauensvoll“, genauer gesagt der Unterschied zwischen „vertrauensvoll“ und „vertrauenswürdig“. Dieser Unterschied liegt in der Perspektive: Jemand Vertrauensvolles setzt Vertrauen in andere, eine vertrauenswürdige Person dagegen verdient das Vertrauen anderer.

Über die Anzeige wird also eine Person gesucht, die anderen vertraut (womöglich gar nicht hinterfragt, was sie auf ihren Botengängen überbringt; hier drängelt sich sofort meine Fantasie in den Vordergrund und wirft Stichworte wie „Geldwäsche“ und „Mafia“ in die Diskussion). Ich jedenfalls möchte nicht deshalb angestellt werden, weil ich den Eindruck mache, der Firma blind zu vertrauen.

Wie geht es besser?

Wie bereits erklärt: Anstelle von „vertrauensvoll“ ist das richtige Wort „vertrauenswürdig“, eventuell gingen auch „zuverlässig“, „verantwortungsbewusst“ oder „verlässlich“.

Aber wenn man schon einmal beim Umformulieren ist, kann man die Anzeige gleich so ändern, dass sie nicht nur Männer anspricht. Erstens sowieso, zweitens können Frauen diese Botengänge gewiss genauso gut erledigen und drittens sollte man sichergehen, dass die Anzeige nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt. Mein Vorschlag:

Botengänge: Vertrauenswürdige Person
(z. B. in Rente/Frührente) an ca. 5 Vormittagen im Monat gesucht.“

Diese Variante hätte außerdem den Vorteil, dass schon in der fett gedruckten Überschrift klar wird, worum es bei der angebotenen Arbeit geht.

(Übrigens: Mein Vorschlag für die Anzeige ist, wie dieser Artikel auch, gegendert. Haben Sie’s bemerkt?)

 

 

Ein Kommentar

  1. Liebe Katja,
    eine Person in meinem Umfeld bezeichnet sich gerne als „vertraulichen“ Menschen. Ich habe schon einige Male versucht, den Unterschied zwischen „vertraulich“ und „vertrauenswürdig“ zu erklären, habe aber bisher wenig Erfolg.
    Da die erwähnte Person nicht in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, ist das Thema komplexer und bedarf noch weiterer Erklärungen und Beispiele meinerseits.

    Karla Nowak

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