Katja Heimann-Kiefer schreibt über Übersetzen, Sprache und Text, Lesen und Vorlesen und den ganzen Rest

Grammatisches Geschlecht: „Das Mädchen, die …“?

Kiefheim klärt auf

Eine Zeitungsnotiz mit dem Satz, der in diesem Artikel besprochen wirdRuby Bridges wurde bekannt, weil sie 1960 als erstes afroamerikanisches Kind in New Orleans auf eine zuvor ausschließlich von Weißen besuchte Schule gehen durfte. In den ersten Monaten war das nur unter Polizeischutz möglich.

Vor einer Weile durfte Ruby Bridges einen Tag lang das Instagram-Konto der Sängerin Selena Gomez nutzen – siehe Bild. Ich habe die Zeitungsnotiz aber nicht wegen dieser interessanten Aktion ausgewählt, sondern weil die dpa offensichtlich Schwierigkeiten hatte, die Erläuterung zu Ruby Bridges zu formulieren:
„Das Mädchen wurde … zu einem der ersten Afroamerikaner, die … konnte.“

Was ist hier das Problem?

Es gibt mehrere Probleme.

Erstens: „Das Mädchen wurde zu einem der ersten Afroamerikaner“

Ein Mädchen ist in der Grammatik sächlich („Neutrum“). Deshalb ist „einem“ als Bezug auf das Mädchen korrekt. „Einem“ ist aber nicht nur die sächliche Form, sondern auch die männliche. Kurz danach steht „Afroamerikaner“. Das ist der männliche Plural (beziehungsweise von diesem nicht zu unterscheiden).

Mit zwei formal männlichen Bestandteilen ergibt die Formulierung „zu einem der ersten Afroamerikaner“ in der Gesamtheit einen männlichen Eindruck – und kollidiert deshalb beim Lesen mit dem Bild einer weiblichen Person, als die wir das Mädchen instinktiv im Kopf haben.

Zweitens: „zu einem der ersten Afroamerikaner, die … konnte“

Bezieht sich „die“ auf die Afroamerikaner oder das Mädchen? Dem üblichen Sprachgebrauch zufolge müssten die Afroamerikaner gemeint sein, dann ist „die“ Plural und das Verb am Satzende müsste ebenfalls im Plural stehen. Das tut es aber nicht, hier steht „konnte“. Vielleicht ist es nur ein Tippfehler, vielleicht hatte jemand beim Formulieren aber auch Ruby als weibliche Person im Kopf. Darauf würde „die … konnte“ zwar wieder passen – aber nur auf den Menschen in der Realität, nicht in der Grammatik, dort ist das Mädchen schließlich sächlich.

Wie geht es besser?

Sie sehen: In diesem Satz ist der Wurm drin. Der Sachverhalt lässt sich besser formulieren, ohne „Mädchen“ und „Afroamerikaner“. Einen Vorschlag haben Sie schon oben in meiner Einleitung gelesen. In der abgebildeten Zeitungsnotiz könnte stehen:

„… um von ihrem ersten Schultag 1960 in New Orleans zu erzählen. Ruby Bridges durfte dort als erstes afroamerikanisches Kind auf eine ansonsten nur von Weißen besuchte Schule gehen.“

 

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