Alle verwenden KI, aber niemand will dabei „erwischt“ werden? Diese Schlussfolgerung drängt sich bei einem Gerücht über KI-Texte und Gedankenstriche auf. Aber worauf kommt es bei einem Text eigentlich an?
Woran erkennt man einen KI-Text?
Daran, dass er Gedankenstriche verwendet! Jedenfalls gilt das inzwischen als „Insider-Weisheit“.
Klingt vollkommen irre? Ja, finde ich auch. Ich war fassungslos, als ich neulich auf LinkedIn auf diese Behauptung stieß.
Schließlich ist ein Gedankenstrich eine wunderbare Möglichkeit, Aussagen zu verbinden, Sachverhalte zu kontrastieren, eine unerwartete Wendung hinzuknallen. Bäm! Wer beruflich schreibt, weiß dieses Stilmittel zu schätzen und kann es wohldosiert einsetzen.
Aber nur einen Tag später hörte ich beim Unternehmerinnenfrühstück dieselbe Aussage – diesmal als Trendbericht und immerhin von Skepsis begleitet.
Und dann stellte sich heraus, dass die Sache noch absurder werden konnte.
Von Gedanken- und Bindestrichen

Doch hier muss ich erst eine kleine Typografielektion einschieben: Sehen Sie den Unterschied zwischen Bindestrich- und Gedankenstrich –?
Der erste, kürzere, Strich (-) ist ein Bindestrich. Man verwendet ihn hauptsächlich, um Wörter zu verbinden. Sie finden den Bindestrich auf Ihrer Tastatur unten rechts, neben dem Punkt.
Der zweite, längere, Strich (–) ist ein Gedankenstrich. In der Typografie nennt man ihn auch Halbgeviertstrich, im englischen Sprachraum n-dash. Der Gedankenstrich trennt Einschübe und Aussagen ab, dient als Bis-Strich und hat noch einige andere Funktionen. Den Gedankenstrich erzeugen Sie auf Windows-Rechnern mit der Tastenkombination Alt+0150 auf dem Nummernblock, auf Macs mit der Tastenkombination ⌥ + -. Wer Microsoft Word verwendet, kann Glück haben, denn Word erkennt oft, wenn statt des Bindestrichs ein Gedankenstrich benötigt wird, und ändert das automatisch.
Was richtig ist, kann nicht falsch sein.
Jedenfalls: Die Sache wurde noch absurder.
Denn warum verrät der Gedankenstrich angeblich, dass eine KI am Werk war? Weil echte Menschen zu blöd sind, einen richtigen Gedankenstrich zu machen, und deshalb in ihren Texten Bindestriche verwenden, weil die so praktisch auf der Tastatur rumliegen.
Also: Nicht die Satzkonstruktion sei verräterisch, sondern die Tatsache, dass der echte Gedankenstrich und nicht der Bindestrich verwendet wird. Wenn man alles richtig macht, gerät man in den Verdacht, eine KI zu sein! (Einspruch, Euer Ehren: Echte menschliche Textprofis kriegen das mit den Gedankenstrichen hin, ganz alleine!)
Offenbar gibt es bereits Menschen, die in ihren KI-Texten die korrekten Gedankenstriche durch falsche Bindestriche ersetzen, damit bloß niemand merkt, dass sie die KI bemüht haben.
Leute, wenn es euch so peinlich ist, KI-Texte zu verwenden, dann lasst es doch. Oder bearbeitet den KI-Output so, dass er tatsächlich nach euch und nicht nach KI klingt.
(Dabei helfe ich gerne.)
Worauf kommt es bei einem Text an?
Die Frage ist doch, was an einem Text wichtig ist: Transportiert er, was ich sagen will? Spricht er mit meiner Stimme? Spricht er die an, die er ansprechen soll? Und zwar so, dass er sie überzeugt?
Für das Grundgerüst und als Ideengeberin kann man natürlich die KI verwenden. Wer in Sachen Text nicht firm ist, lässt sich den Text auch gerne ausformulieren. Aber nach der künstlichen muss in jedem Fall die menschliche Intelligenz ran: Denn nur die kann beurteilen, ob der KI-Text wirklich ein guter Text ist (unbearbeitet vermutlich nicht), seinen Zweck erfüllen kann, und ob das mit der eigenen Stimme hinhaut.
Und dieser letzte Punkt ist wirklich eine höchst individuelle Angelegenheit.
Korrekte Gedankenstriche durch falsche Bindestriche ersetzen, um nicht beim Verwenden von KI ertappt zu werden? Naja eigentlich soll man ja schon in der Schule ein paar kleine Fehler einbauen, wenn man einen Spicker bei der Klassenarbeit verwendet.
Ich kann es trotzdem kaum glauben.
Wobei Schule sicherlich etwas anderes ist als Marketing: Perfektion in der Klassenarbeit macht eher mal stutzig. Aber ein gelungener, runder und korrekter Marketingtext, der Stilmittel souverän einsetzt? Das darf, ja muss man doch erwarten!?
Ansonsten, ja, es ist einfach nur lachhaft.