Redewendungen: Knapp vorbei ist auch daneben.

Redewendungen würzen Ihre Aussagen. Doch schon mit kleinsten Abweichungen haben Sie statt geschmackvoller Eleganz versalzenen Sprachkuchen. Lesen Sie hier, warum die sprachliche Würze besonderes Fingerspitzengefühl braucht.

Foto eines bläulichen Tütchens mit der Aufschrift "SALT", das auf einem groben Holztisch liegt.Redewendungen und feststehende Ausdrücke machen Sprache bildhaft und steuern oft auch eine Prise Humor bei. Allerdings nur im exakten Wortlaut: Ein falsches Wort, und die Sache geht gehörig daneben!

Wenn Sie von Ihrem Nachbarn erzählen, der „Geld wie Stroh hat, auf dem großen Zeh lebt und keinen Hieb Arbeit mehr tun muss, so dass er sich den ganzen Tag ins Däumchen lacht und grinst wie ein Honigkuchenbär“, dann ist Ihnen das Unverständnis Ihrer Zuhörerschaft sicher.

Schlimmer noch, es kann sogar peinlich werden, wie dieses englische Beispiel zeigt: „He’s got a finger in every pie“ heißt, dass jemand überall seine Finger drin hat. Eine pie ist eine Pastete, ein flacher Kuchen. Nun ist eine „tart“ ebenfalls ein flacher Kuchen, aber austauschbar ist das in dieser Redewendung nicht, denn „tart“ bezeichnet gleichzeitig eine Prostituierte …

Es kommt bei Redewendungen und Ausdrücken also auf Genauigkeit an – noch mehr als überhaupt in der Sprache. Eng verwandt sind Fälle, wo schon ein einziger anderer Buchstabe einem Wort eine völlig andere Bedeutung gibt. Ein Fehlgriff passiert da schnell, besonders wenn man sich die Unterschiede in der Bedeutung nicht bewusst macht.

Daran liegt es wohl, dass ich immer wieder Aussagen höre und lese, die mich staunen lassen, in welcher Weise Redewendungen und verwandte Ausdrücke missverstanden werden können. Hier habe ich einige Beispiele für Sie zusammengetragen.

Lasst uns das aufs Trapez bringen!

Foto eines von Bäumen überhangenen Strandes. Aus einem Baum hängt an rot-weißen Bändern ein horizontaler Ast: eine provisorische Schaukel.Neulich verwendete ein Gesprächspartner diesen Ausdruck mehrmals mit großer Begeisterung: Sollten wir ein bestimmtes Thema ansprechen, es „aufs Trapez bringen“?

Ein Trapez ist eine aufgehängte Stange, an der gelenkige Menschen unter der Zirkuskuppel akrobatische Kunststücke vorführen. (In der Geometrie ist es außerdem ein Viereck mit mindestens zwei parallelen Seiten.)

Wenn wir also das Thema aufs Trapez bringen … was soll es denn da oben?

Des Rätsels Lösung: Die Redewendung heißt „etwas aufs Tapet“ bringen. Das Problem ist sicherlich, dass heute kaum noch jemand weiß, was ein Tapet ist. Mein Duden-Band „Redewendungen“ verrät mir, dass „Tapet“ der grüne Filzbelag auf Verhandlungstischen aus alter Zeit ist. Ich wusste das auch nicht und finde es nachvollziehbar, dass jemand auf ein bekanntes und immerhin ähnlich klingendes Wort ausweicht. Nur: Falsch ist das trotzdem.

Unumstritten unumschritten

Screenshot mit dem Text: "Die einen lieben ihn und die anderen hassen ihn. Umumschritten aber ist, ist, dass er richtig was bewegt. Man spricht davon, dass er Jobs gefährdet und zugleich Chancen eröffnet."

Klingt beim Sprechen ganz ähnlich, heißt aber etwas gänzlich anderes:

  • „Unumschritten“ kommt von „schreiten“, also würdevollem Gehen. Ich kann beispielsweise um ein Denkmal herum schreiten – oder davor stehenbleiben. Dann bleibt es unumschritten.
  • „Unumstritten“ kommt von „streiten“. Wenn sich zwei Gruppen über einen Sachverhalt nicht einig sind, dann streiten sie darüber und der Sachverhalt ist umstritten. Herrscht Einigkeit, ist er unumstritten.

Was ist in diesem LinkedIn-Beitrag gemeint? Es geht um jemanden, der von den einen geliebt, von den anderen gehasst wird. Es herrscht also keine Einigkeit, die Person ist umstritten. UnumSTRitten dagegen ist, dass er etwas bewegt.

Schreiten tut hier jedenfalls niemand.

(Der Beitrag war übrigens ziemlich witzig geschrieben, es ging um „Chad Jipiti“.)

Ich hab da was im Auge … Pipi oder Pippi?

Foto eines Zeitungsartikels. Darin heißt es: "Da hatte ich schon Pippi in den Augen", gibt Adolph heute zu.Wie heißt die Tochter von Kapitän Efraim Langstrumpf mit Vornamen? Ihr voller Name ist Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Wir kennen sie unter der Abkürzung ihres ersten Vornamens: Pippi.

Und dann gibt es im Deutschen auch noch Pipi, ein Kinderwort für Urin.

Eigentlich kann man beides, Pippi und Pipi, super an der Aussprache auseinanderhalten: Durch das Doppel-p spricht man Pippi mit kurzem ersten i. Bei Pipi dagegen spricht man beide i lang.

Diese Unterscheidung scheint jedoch allmählich verloren zu gehen, denn ich höre immer öfter Leute sagen, sie hätten „Pippi in den Augen“. Autsch! Ein ganzes Mädchen will ich nicht im Auge haben. (Urin allerdings auch nicht.)

Also: Wenn Ihnen Tränen in den Augen stehen und Sie nicht sagen mögen, dass Sie weinen oder von Emotionen überwältigt werden, dann bleiben Sie wenigstens bei Pipi und lassen Sie die Pippi im Buch.

Betreute Bundeswehr

Foto eines Zeitungsartikels. Darin heißt es: "Seine Anfrage, ob die Bundeswehr wieder einspringen könne, sei abschlägig beschieden worden: 'Die werden bereits mit anderen Aufgaben betreut.' ..."„Betreuen“ oder „betrauen“? Beiden Ausdrücken gemeinsam ist der Aspekt „jemandem etwas anvertrauen“, aber sie sind eigenständige Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung.

  • „Betreuen“: Der Kindergarten zum Beispiel betreut Kinder. Das heißt, er hat sie in seiner Obhut, sorgt für sie und schützt sie.
  • „Betrauen“: Wenn ich meine Angestellte mit einer Aufgabe betraue, dann übertrage ich ihr eine Aufgabe. Sie soll etwas tun.

In meinem Beispiel wurde die Bundeswehr also ganz klar mit Aufgaben betrAUt. Eine Betreuung braucht sie hoffentlich nicht.

Köpfe wiegen

Foto eines Zeitungsartikels. Darin heißt es: "Andere aber, auch aus der Leitung des Kindergartens, wogen bedächtig die Köpfe und ..."Das Wort „wiegen“ ist gemein, denn es hat unterschiedliche Bedeutungen und unterschiedliche Formen:

  • Bedeutung 1: „das Gewicht von etwas bestimmen“ oder „ein bestimmtes Gewicht haben“
    Ich wiege das Mehl, du wiegst, er wog 100 Kilo, sie hat gewogen.
  • Bedeutung 2: „etwas in schaukelnde Bewegung setzen“
    Ich wiege das Kind in meinen Armen, sie wiegte das Kind, du zerkleinerst Kräuter mit dem Wiegemesser.
  • Und dann gibt es noch „wägen“: Es hat Bedeutung 1 und wird gewöhnlich auch als „wog“ und „gewogen“ konjugiert, in seltenen Fällen kann man auch „wägte“ verwenden („Sie wägte ihre Worte sorgfältig.“).

Was passiert also mit den Köpfen in meinem Beispiel? Werden hier abgetrennte Köpfe auf die Waage gelegt? Hoffentlich nicht! Wahrscheinlicher ist, dass wir es mit Bedeutung 2 zu tun haben: Jemand denkt nach und neigt dabei den Kopf bedeutungsschwer von der einen zur anderen Seite. Richtig wäre also: „Sie wiegten den Kopf“.

Geiseln der Menschheit?

Foto eines Zeitungsartikels. Darin heißt es: "... in dem Buch 'Geiseln der Menschheit: Pest, Not und schwere Plagen, Seuchen und schwere Epidemien vom Mittelalter bis heute' ..."Eine Geisel ist eine Person, die mit der Absicht gefangen gehalten wird, etwas zu erpressen. Ein Bankräuber zum Beispiel nimmt eine Geisel, um einen Fluchtwagen gestellt zu bekommen.

Nimmt die Menschheit Geiseln? Sie macht zwar viel kaputt, aber so einig wird sie sich wohl nie werden …

Im Gegensatz zu Geiseln sind Geißeln glücklicherweise aus der Mode gekommen: Es handelt sich um mehrschwänzige Peitschen, mit denen sich Mönche und Nonnen im Mittelalter zur Selbstbestrafung peitschten. Unangenehme Sache also. Diese Peitschen gaben übrigens auch Geißeltierchen ihren Namen, das sind Einzeller, die sich mittels peitschenartiger Fortsätze fortbewegen.

Aber zurück zu meinem Beispiel: Handelt es sich bei Seuchen aller Art um Gefangene oder um etwas, das Not und Schmerz verursacht? Natürlich um Letzteres, die Rede sollte also von „Geißeln“ der Menschheit sein.

 

Sie sehen: Zwischen Richtig und Falsch liegt manchmal nur ein einziger Buchstabe. Passen Sie also gut auf, damit Sie die Sprachwürze korrekt dosieren. Dabei hilft es, wenn Sie sich die Bedeutung der Worte bewusst machen.

Und wer im Schriftlichen ganz sichergehen will, bucht bei mir ein Lektorat!

 

4 Kommentare

  1. „Geld wie Stroh, auf dem großen Zeh leben und keinen Hieb Arbeit mehr tun, sich den ganzen Tag ins Däumchen lachen und grinsen wie ein Honigkuchenbär“ ist ja schon wieder richtig kreativ und sichert einem die Aufmerksamkeit des Publikums. Aber leider geschehen solche Vertuer ja doch meist durch Unwissenheit und Unachtsamkeit.

    Interessant zu lesen der Artikel. Vielen Dank.

    Frank

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