Spätestens seit ich vor Jahren dieses Foto sah, weiß ich: In Schildern stecken Geschichten. Deswegen habe ich im Schottland-Urlaub Schilder für Sie gesammelt. Es erwartet Sie Interessantes und Bedenkenswertes.
Natürlich haben wir im Urlaub noch mehr gemacht als mit dem Auto interessante Schilder zu jagen. Aber auch das lohnt sich, denn manchmal erfährt man aus Schildern mehr über das Land, und mitunter entstehen interessante Überlegungen. Kommen Sie mit mir auf die Reise!
„Oncoming vehicles …
… in middle of road“ – „Fahrzeuge kommen Ihnen in der Fahrbahnmitte entgegen“. Was war ich entsetzt, als wir dieses Schild erstmals am Straßenrand entdeckten!
Am Ende war alles halb so wild: Niemals ist uns ein Fahrzeug mitten auf der Straße entgegengekommen. Einige Begegnungen später wurde mir klar, dass dieses Schild immer nur vor schmalen Brücken oder dergleichen stand. „Oncoming vehicles …“ ist also bloß der erläuternde Text zu dem Verkehrszeichen darüber, der Fahrbahnverengung – das ich tatsächlich erst jetzt, zu Hause am Schreibtisch, wahrnehme. In Schottland habe ich nur den Text gesehen. Berufskrankheit.
„Blind summit“
Dieses Schild (es begegnete uns später noch einige Male als richtiges Verkehrsschild) warnt vor einer Kuppe, die beim Heranfahren zwar harmlos wirken mag, die Strecke dahinter dennoch verbirgt. Man muss also mit überraschendem Gegenverkehr rechnen.
Ich habe mich ganz besonders über dieses Schild gefreut, denn ich kannte es schon aus Island. Dort heißt es „Blindhæð“, wörtlich „blinde Höhe“. Also die gleiche Bezeichnung wie das englische „Blind summit“, der „blinde Gipfel“.
In Deutschland sind wir weniger ausdrucksstark, hier gibt es lediglich „Kuppe“ als Zusatzzeichen 1007-57 zu einem Gefahrenzeichen.
Das Gegenstück zum „Blind summit“ ist übrigens „Hidden dip“, also eine nicht einsehbare Senke. Das dazugehörige Schild ist uns auch ein- oder zweimal begegnet.
Alles Müll oder was?
Dass Menschen ihren Müll einfach in die Gegend schmeißen, gibt es wohl überall. (Was stimmt eigentlich nicht mit diesen Leuten?)
Das erste Schild („Bitte werfen Sie keinen Abfall über Bord!“) hing an Deck der Fähre zwischen Amsterdam und Newcastle. Offenbar haben bereits genügend Leute das große Wasserbecken jenseits der Reling als gigantischen Mülleimer betrachtet.
Das zweite Schild („Der Boden ist kein Mülleimer“) haben wir in Mallaig an der schottischen Westküste entdeckt. Dieses Schild ist im Ton schon bestimmter. Ich lese daraus eine tüchtige Portion Frust und Ärger. Die Leute, die sich veranlasst gesehen haben, es aufzuhängen, haben mein Mitgefühl.
„Overhead Electric Line“
„Danger! Overhead electric line. Maximum safe clearance metres ___ Date __/__/__“
Klar, hier geht es darum, einen Sicherheitsabstand zur Freileitung hinten im Bild einzuhalten. Auf diesem Weg fahren Forstfahrzeuge entlang, und wenn die LKW mit Stämmen oder vielleicht auch Forstmaschinen beladen sind, könnten sie den Stromleitungen hinten im Bild gefährlich nahe kommen. In dem Fall kann es sein, dass der Strom beschließt, seinen Weg nicht mehr durch die Leitung fortzusetzen, sondern die Abkürzung über den LKW und seine Ladung zu nehmen. Je nachdem, wer oder was dann als Abkürzung dient, kann das sehr hässlich werden.
Deshalb ist es sicherlich sinnvoll, den vor Ort notwendigen Mindestabstand anzugeben. Beziehungsweise, es wäre sinnvoll, denn wie wir sehen, sind Abstand und Datum gar nicht eingetragen. Ich fand vor allem den fehlenden Abstand sehr irritierend.
Eigenartig auch die Angabe „Maximum safe clearance“: Wörtlich heißt das „maximaler Sicherheitsabstand“. Logisch wäre meiner Meinung nach ein minimaler Abstand, kein maximaler. Weiter weg geht schließlich immer.
„Hallo? Defibrillator?“
Die schönen roten Telefonzellen kennen Sie natürlich. Aber schauen Sie mal genau hin, was hier über der Tür steht: „Defibrillator“!
Ehemalige Telefonzellen, die zu Defibrillator-Stationen umfunktioniert wurden, haben wir einige gesehen. Eine tolle Idee, an öffentlich gut zugänglichen Orten diese lebensrettenden Geräte bereitzustellen!
„Wait for directions from a Crew member“
Kennen wir alle: Man soll nicht selbsttätig auf die Rampe fahren, über die man auf die Fähre gelangt, sondern die Anweisungen der Crew abwarten.
Doch in Kombination mit dem Piktogramm darüber liest sich das Ensemble für mich als: „Bitte warten Sie, bis unser fachkundiges Personal Ihnen erläutert, wie Sie sich mit Ihrem Fahrzeug vorschriftsmäßig ins Wasser stürzen.“
Einfach nur laienhaft und unkoordiniert reinplatschen – das wird in Corran nicht gerne gesehen!
Gelber Brief
Schauen Sie nur, in was für hübschen Umschlägen man in Schottland Strafzettel serviert bekommt!
Beim Einfahren in den Parkplatz hatten wir übersehen, dass er gebührenpflichtig war, beim pflichtbewussten Umsehen vor Verlassen des Parkplatzes aber auch keine Bezahlautomaten entdeckt. Als wir einige Stunden später zurückkamen, fanden wir einen blauen gelben Brief vom Highland Council unter dem Scheibenwischer.
„Es ist ein Vergehen, wenn jemand anderes als der Fahrer diesen Umschlag entfernt.“ Ja, schön, aber wenn jemand genau das tut, erwartet diese Person trotz offiziellen Vergehens keine Strafe. Den Ärger bekommen dafür diejenigen, die mit dem betreffenden Auto unterwegs sind.
Ich rate übrigens davon ab, diese bunten Umschläge zu sammeln, denn das wird teuer …
Toiletten international
Wer Damentoiletten nutzt, hat das schon unzählige Male gelesen: Man soll Binden und Tampons nicht in die Toilette, sondern in den Eimer werfen. Schilder mit dieser Bitte gibt es natürlich auch in Schottland zu Hauf. Mitunter mit interessanten Variationen, so listete das Schild in unserem ersten Ferienhaus auch Kondome als unerwünscht in der Toilette auf. Logisch eigentlich.
Aber es geht auch anders: Der „Green Welly Stop“ in Tyndrum drehte zu meiner großen Überraschung den Spieß um. Dort bittet ein Hinweisschild auf Englisch und Chinesisch darum, kein Toilettenpapier in den Hygieneeimer zu werfen. Ich mochte nicht allzu gründlich überlegen, was passiert sein muss, bevor dieses Schild aufgehängt wurde … Erleuchtung brachte später der Hinweis meiner Kollegin Katrin Opatz, der es aus Russland bekannt ist, dass die Abflussrohre mitunter nicht mit Toilettenpapier umgehen können. Dort soll man das Toilettenpapier sogar in die bereitgestellten Eimer werfen. Ähnliches hat mein Mann auch schon in Istanbul erfahren. Offenbar sind also auch in China manche Abflussrohre etwas schwach auf der Brust.
Und schließlich hatte man in unserem letzten Ferienhaus besondere Vorstellungen davon, was in die Toilette gehört: „Please do not dispose of any man made items in the toilet.“ – „Bitte entsorgen Sie keine menschengemachten Gegenstände in der Toilette.“ Das wirft Fragen auf, denn Toilettenpapier zählt hundertprozentig zu menschengemachten Gegenständen. Wir haben es trotzdem in die Toilette geworfen.
Wildfänge
Dieses Schild stand um die Ecke vom Ferienhaus: „Vorsicht – Langsam fahren. Ungezähmte Jungs und Hunde laufen frei herum“
Das ist sehr viel charmanter als die üblichen Aufforderungen und hat mich schmunzeln lassen. Und doch habe ich mich jedes Mal gefragt, ob die Bauernfamilie wirklich nur Söhne hat. Und was tun sie, wenn sie noch ein Mädchen bekommen? Gibt es das Schild auch für Mädchen oder eine gemischte Nachkommenschaft? Oder ist am Ende gar nicht vorgesehen, dass auch Mädchen wild sein können?
„Passing Place“
Die kleineren Straßen in den Highlands sind recht schmal. Dafür sind sie großzügig mit Ausweichstellen ausgestattet: In kurzen Abständen erweitert sich der Asphalt nach links oder rechts – wie es die Landschaft gerade hergibt. An diesen Stellen ist ausreichend Platz, damit man bei Gegenverkehr entspannt aneinander vorbei kommt.
Die Leute nutzen das sehr eifrig und rücksichtsvoll und (fast) alle bedanken sich, wenn man im Passing Place für sie anhält. Manchmal war es schon fast ein Wettbewerb, wer höflicher ist und das andere Fahrzeug vorbeilässt! Ein wenig nervig wurde es nur an dem Tag, als uns kurz nacheinander mindestens zehn italienische Wohnmobile entgegenkamen und wir für jedes erneut anhalten mussten.
Sehr interessant war auch die gelegentliche Aufforderung, die Passing Places zu nutzen, um andere überholen zu lassen. Einmal stand sogar die Begründung dabei: Wenn man ungeduldig wird, weil man das vorausfahrende Fahrzeug gerne überholen möchte, lässt man sich eher zu leichtsinnigen Aktionen hinreißen und baut leichter einen Unfall. Man soll doch daher denen, die schneller fahren möchten, ihren Wunsch lassen. Ich fand diese klare Aussage auf einem Verkehrsschild bemerkenswert. Und noch bemerkenswerter, dass es gelungen war, das in viel weniger Worten auszudrücken als ich hier gebraucht habe!
Quadratisch waren diese Schilder immer, aber einige standen auf der geraden Seite (wie dieses), andere auf der Spitze.
Putzen für Anfänger
Ich bin ja ein Fan von Anleitungen, schließlich schreibe ich gelegentlich selber welche. Aber dass man Putzlappen mit einer Anleitung zum Putzen ausliefert, damit hätte ich nicht gerechnet, denn diese Tätigkeit schien mir bisher selbsterklärend.
„Kann mit oder ohne haushaltsübliche Reinigungsmittel verwendet werden. Zum Staubwischen das Tuch trocken verwenden und leicht über die zu entstaubende Fläche wischen. Zum Reinigen das Tuch leicht mit Wasser anfeuchten und die zu reinigende Fläche damit wischen. Häufig in der Waschmaschine waschen, um Schmutz, Staub und Fett zu entfernen, die bei der Verwendung aufgenommen werden. Das Ausspülen von Hand und das Ausschütteln des Tuches entfernen den Schmutz nicht vollständig.“ Und zum Schluss noch: „Kann gewaschen und wiederverwendet werden.“ (Ach?!)
Wildwechsel
Die schottischen Hirsche gefallen mir viel besser als die deutschen – viel eleganter und dynamischer! Leider haben wir sie nur auf Verkehrszeichen gesehen. Dafür zum Glück nicht beim plötzlichen Überqueren der Straße.
Denkwürdig war dieses eine Schild irgendwo im Nirgendwo der A838: Jemand hatte dem Hirsch einen roten Punkt auf die Nase geklebt. Danach hatte ich noch kilometerlang „Rudolph, the red-nosed reindeer“ im Kopf …
„Forestry work“? Ich würde sagen, an dieser Stelle hat ganz klar der Wald gewonnen.
Sie wollen noch mehr Schilder? Der Urlaub 2021 war auch sehr ergiebig …
Schon alleine diese Schilder machen richtig Lust, nochmal nach Schottland zu fahren. Interessant, die Zusatzinfos in den Links.
Ja – es gibt dort noch soooo viel mehr zu sehen!
Vielen Dank für diese interessanten Schilder und die humorigen Anmerkungen dazu.
Ich fühlte mich teils wie auf Schottland-Reise !
V.H.
Schön, dass ich dich mit auf die Reise nehmen konnte! Dann ist das doch ein Artikel mit Mehrwert. 😊
Toller Artikel, habe sehr geschmunzelt. Und das Wildwechselschild ist wirklich sehr viel ästhetischer als das in Deutschland. Vielleicht könnte man ja eine Petition starten, um das auszutauschen 😂
Machen wir! Ohne rote Nase oder gleich mit??
Na auf jeden Fall mit 😂
👍
Das war sehr lustig zu lesen. Eine unterhaltsame Urlaubsbeschäftigung. Wo fahrt ihr nächstes Jahr hin?
Es freut mich, dass ich dich mit den schottischen Schildern gut unterhalten konnte, Reinhold!
Nächstes Jahr? Ist noch in Arbeit …